Blick zurück in Zorn: Schlimmer geht’s nimmer!

Wir hatten versprochen und uns es auch geschafft, nicht in den Kommunalwahlkampf 2014 einzugreifen und uns neutral zu verhalten. Heute möchten wir zugeben, dass uns dieses Versprechen äußerst schwer gefallen ist, es uns oft in den Fingern gejuckt hat und wir nur mit höchster Anstrengung von der PC-Tastatur lassen konnten. Dazu hat insbesondere das Bewerbungsvideo des LiStE Bürgermeisterkandidaten beigetragen.

Wir sind während der Kommunalwahl aus Interesse und nicht durch Zufall immer mal wieder auf die Webseite von LiStE geraten, jedoch durch Zufall haben wir auf den Start-Button des Kandidaten-Videos geklickt. Da wir vergessen hatten, den PC-Lautsprecher einzuschalten, schauten wir sprachlos auf die tonlose Darbietung des Kandidaten und blieben auch bis zum Ende der Vorstellung bei dieser Betrachtungsweise. Psychologen und Profiler machen das, um aus Gestik und Mimik eines Menschen ein Persönlichkeitsbild zu erstellen.

Das Wahlkampf-Video ist dramaturgisch wie ein Interview aufgebaut, in dem ein fiktiver Stichwortgeber dem Kandidaten die Möglichkeit zuspielt, die Bürgerinnen und Bürger mit Allgemeinplätzen und Plattheiten über sich und lokalpolitische Themen zu langweilen. Zumindest vermuten wir das, denn wir wollten ja nicht hören. Unterbrochen wird die vermutete Phrasendrescherei durch Lifestyle-Sequenzen, in denen der Kandidat beim „Leben in Stadecken-Elsheim“ begleitet und bei denen kein gängiges und noch so abgedroschenes Werbesujet ausgelassen und eine visuelle Peinlichkeit an die andere gereiht wird.

Da werden gnadenlos Hände geschüttelt, rücksichtslos Kleinkinder gedrückt und unschuldige Menschen an Ihren Haustüren mit Blumen und sonstigen Werbemüll belästigt. Kein Ort der Gemeinde ist vor dem Kandidaten sicher: Ob er in der Abenddämmerung von der Warte aus versunken über seine Heimat schaut, sich an einer einheimischen Metzgerwurst erfreut, sich im Feuerwehrschlauch verheddert oder sich im Ratssaal bereits als der zukünftig große Macher präsentiert, es gibt kaum ein übleres und totgetreteneres Klischee, mit dem uns der Kandidat nicht verschont und uns Schmerzen zubereitet. Für diese Schmierenkommödie müssen sogar sein blinder Bruder und die Mitglieder seiner Familie herhalten, die erbarmungslos vor die Wahl-Videokamera gezerrt werden.

Fast immer mit dabei ist eine ausgewählte Entourage und Laienspielschar von altbekannten CDU- und LiStE-Anhängern, die, zu Statisten und zur Staffage degradiert, den Kandidaten bei seinen Wanderungen in respektvollem Abstand hinterhertrotten dürfen, ihm in getürkten Besprechungen bewundernd an den Lippen kleben und in einigen Sequenzen den Eindruck erwecken, als ob sie in dem Kandidaten eine übernatürliche Erscheinung sehen und vor Andacht beinahe erstarren müssten.

Abgesehen davon, das er durch die Verfügungstellung der Amtsräumlichkeiten wieder einmal in eklatanter Weise das Neutralitätsgebot seines Mandats verletzt, scheint besonders Ortsbürgermeister Müller von seiner Statistenrolle angetan. Mit beinahe verklärten Blicken schaut er aufmunternd und gönnerhaft auf den Kandidaten und man hat das Gefühl, als  ob er seinen politischen Ziehsohn am liebsten schon jetzt inthronisieren und gar nicht mehr erst auf den Wahlausgang warten möchte.

In all diesen gestelzten Szenen brodelt und poltert es nur so vor Eitelkeit, die nur noch von der Gockelhaftigkeit im vermeintlichen Interview übertroffen wird. Stocksteif sitzt der Kandidat in seinen Stuhl gepresst und erweckt den Eindruck, als ob er schon jetzt die Schwere des auf ihn zukommenden Amtes ahnt und nur mit äußerster Anstrengung die Last der Würde des Mandats ertragen wird. So viel Aufgesetztheit und staatstragendes Getue ist nur schwer zu ertragen, wenn man weiß, für welches Amt sich der Kandidat bewirbt, denn nach dieser Vorstellung könnte man vermuten, dass sich hier jemand um das Amt des Bundespräsidenten oder um den Vorsitz von UNICEF bewirbt. Dagegen sind Ansprachen der Queen von England reinste Büttenreden.

Mimik und Gestik des Kandidaten wirken einstudiert und völlig unnatürlich. Die gesamte Körperhaltung erscheint aufgeblasen und gestelzt. Besonders auffallend ist die nervige Gestik der Hände, die dramatisierend, wild fuchtelnd und bedrohlich in die Kamera gereckt werden, so dass man daraus schließen könnte, dass hier ein besserwisserischer  Oberlehrer oder ein arroganter Klugscheißer anderen Menschen seine Meinung aufzwingen möchte.

Auch mit der Mimik scheint es nicht so recht zu klappen. Während der Kandidat im „Interview“ beinahe permanent und hochnäsig an seinen Zuschauern vorbeischaut und vorbeiredet, spricht er zum Ende hin plötzlich und abrupt direkt in die Kamera und macht dabei gerdezu einen etwas „entrückten“ Eindruck. Scheinbar hat man ihm vorgegaukelt, dass mit solch einem „dramatischen“ Knalleffekt die Bedeutung seiner nachfolgenden Worte immens gesteigert und unmittelbare Nähe zur Zielgruppe hergestellt werden kann. Wir dagegen hatten den Eindruck, als ob der Kandidat plötzlich aus dem Schlafkoma erwacht sei, seinen Faden wiedergefunden hat und jetzt endlich mal ein vernünftiges und glaubhaftes Wort von sich geben möchte..

Wir sind weder Profiler oder Psychologen. Wir sind auch nicht in der Lage, ein fundiertes Persönlichkeitsbild des Kandidaten zu erstellen. Wir sind aber in der Lage, dümmliche und abgedroschenen Wahlwerbung zu erkennen. Deshalb hoffen wir auch, dass dieses peinliche Machwerk bald vom Netz verschwindet.

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2 Gedanken zu „Blick zurück in Zorn: Schlimmer geht’s nimmer!“

  1. Sehr geehrter Herr Schuler,

    wir schätzen Ihre Kommentare. Deshalb möchten wir Ihnen gegenüber auch aufrichtig sein: Ja, wir wollten nachtreten.

    Uns ist dieses Video so auf den Senkel gegangen, dass wir uns schon während des Wahlkampfs kaum noch zurückhalten konnten. Deshalb bitten wir Sie, uns nachzusehen, dass wir jetzt und noch vor der konstituierenden Gemeinderatssitzung unsere Meinung sagen wollten. Und das hat nichts mit dem Mandat des kommenden Ortsbürgermeisters zu tun. Dessen Amtsführung und die Beschlüsse des neuen Gemeinderates werden wir, wie immer, konstruktiv mit unserer Meinung begleiten.

  2. Sehr geehrtes Forum,

    Sie hätten sich besser auch im Nachgang zur Wahl an Ihr Versprechen halten sollen. Lassen Sie doch einfach den neuen Bürgermeister erst einmal seine Amtsgeschäfte aufnehmen, dann können Sie bei Missfallen immer noch die große Kritikkeule schwingen.

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