Endlich kommt die soziale Marktwirtschaft:
Wirtschafts- und Fusionsexperte „Kuhl fordert Joberhalt“

Es gehört zwar nicht zu den originären Aufgaben eines ehrenamtlich tätigen Orts- oder Stadtbürgermeisters, seine Gemeinde als Gewerbe- und Industriestandort attraktiv zu machen oder sich gar für die Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen einzusetzen, wenn er es aber dennoch tut, ist dagegen nichts einzuwenden. Im Gegenteil, wenn er sich um die Sorgen und Nöte der Menschen kümmert, ist das sogar löblich. Wer dies jedoch so plump-aufgesetzt und vorgeblich-besorgt tut, wie jetzt der Stadtbürgermeister von  Nieder-Olm, Dieter Kuhl, der lässt Fragen an seiner wahren Absicht und berechtigte Zweifel an seiner Wirtschafts- und Verwaltungskompetenz aufkommen.

In einem Schreiben an seinen „Parteikollegen und Bundeswirtschaftsminister Gabriel“ bittet er lt. einem Artikel in der AZ Mainz darum, dass Gabriel dafür sorgen möge, dass die „‚Ministererlaubnis für die Edeka/Tengelmann-Fusion auch den Erhalt der Arbeitsplätze in Nieder-Olm zur Bedingung macht‘.“ Rums, das hat gesessen und wird im Bundeswirtschaftsministerium sicherlich zu einem starken Beben führen! Diese geradezu absurde Forderung haut selbst den stärksten Kritiker der sozialen Marktwirtschaft vom Hocker und man muss sich fragen, ob die Forderung von Herrn Kuhn auf purer Unbedarftheit und Blauäugigkeit beruht oder gar den makabren Versuch darstellt, auf den Sorgen und Ängsten der Menschen ein politisches Süppchen zu kochen.

Gut, am kommenden Wochenende sind Landtagswahlen und vielleicht hat der Stadtbürgermeister gemeint, noch einmal so richtig einen Wahlkampfböller zünden zu müssen, um den absehbaren Stimmenverlust seiner Partei aufzuhalten. Aber so rücksichtslos und berechnend darf man selbst in einer politisch verzweifelten Situation nicht vorgehen. Offensichtlich ist dem Hobby-Politiker Kuhl nicht bewusst, dass es nicht zu den primären Aufgaben seines Parteifreundes Gabriel und eines Wirtschaftsministers gehört, Arbeitsplätze zu schaffen oder zu erhalten, geschweige denn Unternehmensfusionen unter der Bedingung des Erhalts von Arbeitsplätzen zu genehmigen. Die Aufgabe des Staates bzw. seines Wirtschaftsministers in einer freien Marktwirtschaft ist es, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Erreichung wirtschaftspolitischer Zielsetzungen zu schaffen, zu denen zweifellos auch ein hohes Beschäftigungsniveau gehört. Dafür sollen jedoch nur die Bedingungen geschaffen werden. Das Intervenieren und Eingreifen in individuelle Wirtschafts- und Unternehmensentscheidungen gehört jedoch nicht dazu. Allein gesamtwirtschaftliche Auswirkungen und monopolrechtliche Belange sind bei einer Fusion zu prüfen und bei der Entscheidung zu berücksichtigen. Davon hat der „Wirtschafts- und Fusionsexperte“ Kuhl offensichtlich noch nie etwas gehört. Und so stellt er dann abstruse Forderungen und redet sich um Kopf und Wirtschaftskragen.

Auch seine Behauptung, „die ursprüngliche Absicht der Fusion war, unter anderem der Erhalt aller Arbeitsplätze“, ist an den Haaren herbeigezogen und zeugt von mangelhaftem Verständnis für das Wirtschaftsgeschehen. Es hat in der weltweiten Wirtschaftsgeschichte wohl noch nie eine Fusion gegeben, die ernsthaft und glaubwürdig mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen begründet wurde. Deshalb sollte sich auch der Laien-Politiker Kuhl nicht zu solch aufgeblasener Rhetorik hinreißen lassen und scheinheilig den Erhalt von Arbeitsplätzen einfordern. Das Schreiben von Kuhn an den Parteikollegen Gabriel muss mehr als populistisches und durchschaubares Manöver denn als ehrlicher und erfolgversprechender Ansatz zur Problemlösung angesehen werden. Da möchte sich jemand auf Kosten anderer profilieren.

Damit wir nicht missverstanden werden: Auch wir sind besorgt um die Erhaltung der Arbeitsplätze für die 75 Mitarbeiter des Lagers und das Wohlergehen ihrer Familien. Aber sich so aufgeblasen und politisch durchschaubar für die Belange dieser Menschen einzusetzen, lässt entweder die Annahme auf Selbstüberschätzung oder den Verdacht auf politische Skrupellosigkeit aufkommen. Angemessenes, verantwortungsvolles und kompetentes Handeln sieht anders aus.

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2 Gedanken zu „Endlich kommt die soziale Marktwirtschaft:
Wirtschafts- und Fusionsexperte „Kuhl fordert Joberhalt“

  1. „geschweige denn Unternehmensfusionen unter der Bedingung des Erhalts von Arbeitsplätzen zu genehmigen“

    Herr Kuhl agiert vermutlich auf Grund nachstehender Information:

    Die Fusion von EDEKA und TENGELMANN wurde zunächst durch das Kartellamt untersagt. Per Ministerialentscheid hat Gabriel jedoch die Fusion genehmigt. Unter der Voraussetzung, dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben.

    Somit hat Gabriel „per Dekret“ sehr wohl die Fusion entgegen dem Kartellamt eingeleitet. Ob allerdings die Arbeitsplätze langfristig gesichert sind, wage auch ich zu bezweifeln. In jedem Fall hat Gabriel m.E. nicht gerade sozial agiert, sondern der Wirtschaft zu einer weiteren Monopolisierung verholfen.

    1. Es sollte in dem Artikel nicht das Problem der Monopolisierung der Wirtschaft erörtert werden, sondern die zweifelhafte Vorgehensweise von Stadtürgermeister Kühl. Die Sondergenehmigung des Wirtschaftsministers ist überhaupt noch nicht erfolgt. Das weiß auch Kuhl. Trotzdem schmeißt er sich ins Wahlgetümmel und fordert scheinheilig und hinterlistig die Einhaltung von Auflagen, auch wenn es überhaupt noch keine Auflagen und noch nichts einzuhalten gibt.

      Die vorgesehenen Auflagen sollen auch überwiegend zeitlich begrenzt sein und es steht heute schon fest, dass unmittelbar 4.500 bis 5.000 Arbeitsplätze direkt (bei Fleischwerken, Verwaltung und Lägern etc.) wegfallen. Bedauerlicherweise scheint davon auch das Lager in Nieder-Olm betroffen zu sein, wenn es denn überhaupt zur Fusion kommt. Und wie es dann mit dem Erhalt der Arbeitsplätze aussieht, wenn ein bereits seit 16 Jahren defizitäres Unternehmen Konkurs anmelden muss, steht auf einem ganz anderen Blatt.

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