Seltsame Vorgänge um „Auf der Höll“ – Erhebung eines Infrastrukturbeitrags ohne Gegenleistung?

fragezeichenWir wissen nicht, ob es nach der Änderung der Gemeindeordnung zwingend vorgeschrieben ist, in den Protokollen der Ratssitzungen jetzt auch die im nicht-öffentlichen Teil gefassten Beschlüsse zu veröffentlichen. Sollte dies der Fall sein, hätte man dort und nicht nur im Nachrichtenblatt erfahren können, dass vom Gemeinderat beschlossen wurde, für ein Bauvorhaben, in einem Gebiet, für das es überhaupt noch keinen Bebauungsplan gibt und in dem überhaupt nicht gebaut werden darf, von einem Bauherrn (?) einen „Infrastruktur- und Wertabschöpfungsbeitrag“ in Höhe von € 42.000 zu erheben. Aus dem Beschluss geht mit keinem Wort hervor, warum und für welche Gegenleistung dieser Beitrag erhoben werden soll. Allerdings und gleichzeitig wurde vom Gemeinderat eine „neue Zuwegung“ zum Friedhof Stadecken beschlossen. Sollte es da einen Zusammenhang geben? 

Ausgangspunkt dieser seltsamen Vorgänge ist eine bereits Mitte 2015 erfolgte Änderung des Flächennutzungsplans, durch die die private Grünfläche Flur 1 Nr. 500/4, die entlang des Zugehwegs zum Stadecker Friedhof liegt, in ein Bau-Mischgebiet umgewidmet wurde. Schon in der Ratssitzung am 30.06.2015 gab es gegen die Absicht enormen Widerspruch, den der Beigeordnete Ruf mit vagen Aussagen entgegnete. In der Erläuterung des FNP heißt es lapidar, dass durch die Umwidmung des Bereichs in ein gemischtes Baugebiet „eine geordnete bauliche Entwicklung in rückwärtiger Lage ermöglicht werden“ und „eine sinnvolle Abrundung des Siedlungskörpers erreicht werden“ soll. Dies ist auf den ersten Blick eine recht seltsame Begründung, denn folgt man dieser Argumentation, dann müsste der Status der meisten Grundstücke, die sich unmittelbar an den Innenbereich der Gemeinde anschließen, im Flächennutzungsplan umgewidmet werden, um eine „geordnete bauliche Entwicklung“ zu gewährleisten oder den „Gebietsköper abzurunden.“ Außerdem muss bei der Parzelle 500/4 der Grund für eine „Abrundung“ geradezu als an den Haaren herbeigezogen betrachtet werden.

Gleichzeitig mit der Änderung des FNP und wie aus heiterem Himmel kommt plötzlich in der Gemeindeverwaltung die Idee auf, die Zuwegung zum Friedhof „neu zu ordnen.“ Dafür wurden im Haushalt 2016 € 100.000 eingestellt, die mit dem 1. Nachtragshaushalt 2016 um € 20.000 reduziert wurden. Was mit der „Neuordnung“ gemeint ist, ist aus dem Gemeinderatsbeschluss vom 12.09.2016 zu ersehen, nach dem am Friedhof ein Containerstellplatz und 4-5 PKW-Stellplätze entstehen sollen. Dazu muss die jetzige Zuwegung in den Status einer öffentlichen Straße umgewidmet werden.

Über diesen Beschluss wird sich der Eigentümer des neuen Bau-Mischgebietes sicherlich sehr gefreut haben. Denn durch die neue, öffentliche Straße wird sein Grundstück auf Kosten der Gemeinde verkehrstechnisch erschlossen und, wenn es dann einmal einen rechtskräftigen Bebauungsplan geben sollte, mit nur wenigen Einschränkungen bebaubar. Aber auch daran ist im Gemeinderat schon gedacht worden. In seiner Abstimmung am 2. Mai dieses Jahres wurde in Abwesenheit von 8 Ratsmitgliedern (sic!) die Aufstellung einer sogenannten Ergänzungssatzung „Auf der Höll“ beschlossen. „Der Geltungsbereich der Satzung umfasst die Grundstücke in der Gemarkung Stadecken, Flur 1, Nr. 499/6 tlw., 500/4 tlw. und 500/9“, die links und rechts des Zufahrtwegs zum Stadecker Friedhof liegen und insgesamt 1.700 m² betragen.

Als Grund für die Aufstellung der Ergänzungssatzung wird angegeben, dass im Zusammenhang mit der beabsichtigten „Neuordnung der Friedhofszufahrt“ aus einer privaten Grünfläche (Flur 1, Nr. 500/9) ein Bau-Mischgebiet gemacht werden soll. Warum und welcher Zusammenhang da angenommen wird, weiß kein Mensch, denn es ist erst einmal keine logische Verbindung zwischen einer neuen Friedhofszufahrt und der Umwidmung einer privaten Grünfläche in ein Bau-Mischgebiet zu erkennen und darauf einen Bebauungsplan zu erstellen. Auch die Aufstellung der Ergänzungssatzung wird damit begründet, „hier eine ungeordnete Entwicklung zu vermeiden.“ Auch diese Begründung erscheint an den Haaren herbeigezogen, denn danach müsste, wie bereits oben erwähnt, der Status aller Grundstücke, die sich unmittelbar an den Innenbereich der Gemeinde anschließen, im Flächennutzungsplan umgewidmet und mit einem Bebauungsplan belegt werden.

Wir vermuten, dass zwischen der beabsichtigten „Neuordnung des Friedhofszufahrt“ und der Umwidmung der privaten Grünfläche ein ganz anderer Zusammenhang besteht. Denn ohne verkehrstechnische Anbindung darf auch in dem neu ausgewiesen Mischgebiet nicht gebaut werden. Deshalb gehen wird davon aus, dass unter dem Mäntelchen „Neuordnung der Friedhofszufahrt“ klammheimlich aus der Friedhofszufahrt eine öffentliche Straße gemacht werden und dadurch das Bau-Mischgebiet erschlossen werden soll. Vielleicht resultiert aus dieser Vermutung heraus auch der Infrastrukturbeitrag von €42.000,00. Nach wie vor immer noch ein lohnendes Geschäft für den glücklichen Grundstückbesitzer.

Um es einmal ganz offen anzusprechen: Angesichts der bereits vorgesehenen Kreditaufnahme von über 1.3 Mio. Euro in 2016, über Jahre hinweg verschobener Projekte für Vereine und Jugend und angesichts einer Reihe weit wichtigerer, anstehender Gemeindeprojekte, halten wir die „Neuordnung der Zugehung“ zum Friedhof Stadecken zwar nicht so überflüssig wie einen Kropf, aber für minderrangig und weit untergeordneter Bedeutung. Wir vermuten, dass Änderung der Zuwegung zum Friedhof und die eventuell vorgesehen Widmung als öffentliche Straße einzig und allein dazu dienen, auf Kosten der Gemeinde das Privatgrundstück 500/4 verkehrstechnisch zu erschließen oder, zumindest den Großteil der Kosten, auf die Allgemeinheit zu überwälzen.

Um Licht in die seltsamen Vorgänge zu bringen, wurde jetzt die Gemeindeverwaltung aufgefordert, Auskunft darüber zu geben, für welche Leistung der Infrastrukturbeitrag vom „Bauherren“ gezahlt werden soll und welche 8 Ratsmitglieder bei der seinerzeitigen Beschlussfassung abwesend waren. Gleichzeitig wurde der Bürgermeister der VG Nieder-Olm gebeten, den Beschluss des Gemeinderats vom 02. Mai dieses Jahres über die Erhebung des Infrastrukturbeitrags wegen fehlender Geschäftsgrundlage aufzuheben.

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