Landrätin Dorothea Schäfer (CDU) „liebt ihren Job,“ scheint aber im Amt überfordert.

Vernichtender kann ein Urteil nicht sein. Ob die AZ Mainz gründlich recherchiert hat, wissen wir nicht, aber jedenfalls hat die Regionalzeitung in bester „Hofberichterstatter“-Manier jetzt herausgefunden, wie Frau Schäfer zu ihrer vor 100 Tagen angetretenen Tätigkeit als Landrätin steht: „Sie liebt ihren Job“, ist dort von einer Redakteurin namens Helena Sender-Petry“ zu lesen, und man hat dabei erst einmal das Gefühl, als ob Frau Petry vormals für die Zeitschrift „Frau im Spiegel“ oder für das „Goldene Blatt“ tätig war und vorwiegend über Intimes aus dem englischen Königshaus oder die Skandale anderer Adelsgeschlechter berichtet hat.

Sie werden es nicht glauben, aber wie jeder der Millionen unselbständig Tätigen im eher freudlosen Wirtschaftsleben freut sich auch „Landrätin Dorothea Schäfer (CDU) (…) jeden Tag auf ihre vielfältigen Aufgaben in Ingelheim.“ Ein Schelm, wer da noch behauptet, dass das Leben in der immer rauer und härter werdenden Arbeitswelt keinen Spaß machen kann: „Das Glücksgefühl hält an. Dorothea Schäfer liebt es, Landrätin zu sein. Und sie wird nicht müde, es immer wieder mit einem Lächeln auf den Lippen zu betonen.“ Wer jetzt aber glaubt, Frau Petry schreibe im Stil eines Lore-Romans schwülstig über eine vom Schicksal bevorzugte Frau, die in ihrem Beruf aufgeht und sich täglich ihres Glückes erfreut, der wird schnell eines Besseren belehrt: Frau Helena Sender-Petry erweist sich nämlich als eine überaus investigative Journalistin, die schonungslos die Schwächen und Mängel unserer Landrätin aufdeckt.

Das „Tempo hat sich verringert“, berichtet sie ausführlich über den anscheinend behäbigen Arbeitsstil der neuen Landrätin. Dass sie, nachdem sie eine große Koalition gegründet hat, in aller Gemütlichkeit und „in aller Ruhe und ohne heftigen Gegenwind in ihre Amtszeit starten konnte.“ Frau Petry findet es äußerst bemerkenswert, „wie sich das Tempo der Entscheidungsfindung verringert hat“ und ihr „scheint das politische Mainz-Bingen nun wie ein ruhiger, träger Fluss dahinzuplätschern.“ Solch kritischer Ton ist man von der AZ Mainz sonst überhaupt nicht gewohnt. Dass es die Landrätin so ruhig angehen lässt und sie offensichtlich dem erforderlichen Arbeitstempo nicht gewachsen ist, verharmlost sie dann noch süffisant mit der „so typischen Gelassenheit“ von Frau Schäfer.

Aber es kommt ja noch dicker: Die Redakteurin der AZ Mainz spricht der scheinbar überforderten Landrätin glatt die Kompetenz ab, eine größere Behörde wie die Kreisverwaltung zu führen. Für uns ist das kein Wunder, denn Frau Schäfer hat dafür weder eine profunde Ausbildung, noch irgendeine berufliche Erfahrung im Verwaltungsbereich. Nur der hauptamtliche Beigeordnete Wolff, so Frau Petry, bringe in der Kreisverwaltung diese Erfahrung und Fachkompetenz mit, „die sich die Landrätin noch hart erarbeiten muss. Ihr Teilzeitjob als ehrenamtliche Beigeordnete (2012 bis 2014) konnte nur eine Ahnung dessen vermitteln, was es heißt, eine große Verwaltung mit rund 1200 Mitarbeitern zu führen.“  Es könnte sich einmal mehr beweisen, dass durch ausschließlich politische Entscheidungen Menschen in Positionen gehievt werden, von denen sie keine Ahnung haben und mit denen sie einfach überfordert sind.

Knüppelhart wird in dem Artikel der Landrätin auch der Bruch wichtiger Wahlversprechen vorgeworfen: „Etwa das Thema Rheinbrücken (…), das Schäfer mit vermeintlicher Leidenschaft und Omnipräsenz bei diversen Brückengipfeln oder Pressekonferenzen (…) zu einem zentralen Anliegen machte.“  Ja, wir erinnern uns:  Es gab kaum ein Ereignis, auf dem Schäfer nicht auch den ersten Spatenstich für eine neue Rheinbrücke einforderte. Auch der Ton wird härter und es ist eine gewisse Enttäuschung bei Frau Petry über die Landrätin erkennbar: „Mit der Leidenschaft ist es aktuell nicht mehr weit her, Floskeln statt Fakten, der Standardsatz lautet: „Es werden Gespräche geführt. (…) der Nebel des Vergessens wabert über den Rhein und die Binger Brückenpfeiler ins politische Nirgendwo.“ Und ohne Zitat heißt es dann weiter: „Dieses Thema wird in der Versenkung verschwinden, von dem Spötter behaupten, hätte Dorothea Schäfer für jeden Besuch bei der Bürgerinitiative einen Backstein mitgenommen, könnte die Brücke längst gemauert sein. Druck aufbauen ist ihre Sache nicht.“ Dies gilt auch für den von ihr permanent im Wahlkampf geforderten drei- bis vierspurigen Ausbau der Rheinhessenstraße – ebenfalls in der Versenkung und vom Radar der Landrätin verschwunden.

Auch mit der Stelle eines neuen Schulentwicklungsplaners gab es Schwierigkeiten. Die übergeordnete ADD (Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion) beanstandete, dass die Kreisverwaltung die vorgegebenen Stellenbeschreibung und -bewertung nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat und es wird kritisch hinterfragt, „Ob die Schulentwicklungsplanung im Frühjahr 2019 verlässliche Daten und Fakten liefert (…). In diesem Zusammenhang hat Schäfer auch im seinerzeitigen Wahlkampf großspurig Nieder-Olm eine Realschule plus und Heidesheim eine weiterführende Schule versprochen, ohne das bisher etwas passiert ist. Ebenso wird ihr beim Thema „Bezahlbarer Wohnraum“ vorgeworfen, dass sie sich in Formalismus ergeht und die realen Probleme auf dem Wohnungsmarkt nicht versteht oder nicht verstehen will. VG-Bürgermeister Spiegler merkt zur Ignoranz und zur ablehnenden Haltung der Landrätin süffisant an, dass er gerne mal mit ihr „über die Realität auf dem Wohnungsmarkt diskutieren“ möchte.

Gönnerhaft wird der neuen Landrätin dann unterstellt, dass Schäfer die Erweiterung der Kreisverwaltung (Bau eines zusätzlichen Verwaltungsgebäudes) „gerne als persönlichen Erfolg“ verkauft. Gleichzeitig wird aber geflissentlich daraus hingewiesen, dass „die Pflöcke im Grunde lange eingeschlagen“ waren und die Weichen für dieses Vorhaben bereits schon vom mittlerweile stark kritisierten Vorgänger Schick (SPD) gestellt wurden. So entzaubert man Selbstdarsteller und Angeber, die sich mangels eigener Substanz mit fremden Federn schmücken wollen.

Auch das Fazit von Frau Petry über die Performance der Landrätin ist vernichtend und reduziert ihre Kompetenz auf die Funktion eines Grüßaugusts: „Machen war gestern. Jetzt wird moderiert. Und Präsenz gezeigt. Ihr Terminkalender ist voll, unermüdlich tourt sie durch Mainz-Bingen, ob Grundsteinlegung, Vereinsjubiläum oder Weinfest, sie lächelt in die Kameras. Dorothea Schäfer liebt es wirklich, Landrätin zu sein.“  Wir wissen nicht, was die Redakteurin der AZ Mainz zu solch einer Generalabrechnung bewogen und woher die AZ Mainz den Mut gefunden hat, endlich die ihr zugedachte Funktion einer kritischen Kontrolle der Institutionen in einer demokratisch organisierten Gesellschaftsform wahrzunehmen. Es mag sein, wie es will, wir begrüßen es.

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