Sie suchen eine lukratitive Nebentätigkeit? Werden Sie Ortsbürgermeister!

jobcenterWenn Sie mit dem Verdienst aus Ihrer aktuellen beruflichen Tätigkeit nicht zufrieden sind und nach besseren Möglichkeiten Ausschau halten, wenn Sie Ihr aktuelles Einkommen verbessern und Sie sich ein kräftiges Zubrot verdienen wollen, wenn Sie nicht mehr berufstätig sind und sich beinahe zu Tode langweilen oder wenn Sie gar an Minderwertigskeitskomplexen leiden und dafür eine adäquate Therapie suchen, dann haben wir eine vielversprechende Empfehlung für Sie: Werden Sie ehrenamtlich tätiger Ortsbürgermeister in einer Ortsgemeinde! Es lohnt sich.

Eine gute Nachricht gleich vorweg: Sie brauchen für diese Tätigkeit keinerlei Ausbildung oder fachliche Qualifikation – nur vorbestraft dürfen Sie nicht sein. Es reicht, wenn Sie Ihre 5 Sinne beisammen haben, einigermaßen wortgewandt sind oder, um es einmal etwas lockerer zu formulieren, gut schwafeln und den Menschen Honig ums Maul schmieren können. Sie brauchen auch keine Angst zu haben, aus mangelnder Erfahrung oder Unwissenheit etwas falsch zu machen: Die hauptamtlichen Fachkräfte der Verbandsgemeinde sind für den überwiegenden Teil Ihrer Verwaltungsgeschäfte verantwortlich, bereiten Ihnen alle wichtigen Entscheidungen vor und sind für die Durchführung der Verwaltungsbeschlüsse zuständig. Auch juristisch können Sie in Ihrem neuen Amt kaum belangt werden. Sie sind gegen beinahe Alles abgesichert und kommen nur dann in die Bredouille, wenn Sie goldene Löffel stehlen. Sogar von einem Rausschmiss oder Arbeitsplatzverlust bleiben Sie weitestgehend verschont. Während in der freien Wirtschaft die Entlassung eines Arbeitnehmers relativ leicht vonstattengeht, ist die Abwahl eines Ortsbürgermeisters ein langwieriger und komplizierter politischer Prozess. Sie sitzen also relativ fest im Sattel.

Lassen Sie sich auch nicht durch den Begriff „Ehrenamtliche Tätigkeit“ verwirren. Denn natürlich machen Sie das nicht alles umsonst. Die ehrenamtliche Tätigkeit eines Ortsbürgermeisters schließt zwar eine direkte Entlohnung aus, dafür gibt es jedoch für die Ausübung des Mandats in Abhängigkeit von der Einwohnerzahl eine kräftige Aufwandsentschädigung, wobei kein Mensch so richtig versteht, von welchem Aufwand hier eigentlich gesprochen wird, denn der Zeitaufwand für die Tätigkeit eines Ortsbürgermeister ist damit nicht gemeint. Bei Ortsgemeinden wie Stadecken-Elsheim mit knapp unter 5.000 Einwohnern beträgt die monatliche Aufwandsentschädigung nach der KomAEVO derzeit zwischen 1.714,00 und 2.061,00 Euro. Bei einer Einwohnerzahl von über 5.000 zwischen 1.850,00 und 2.220,00 Euro. Das ist doch schon was, oder? Für eine nicht-bezahlte ehrenamtliche Tätigkeit?

Schön ist auch, dass Ihnen per Gesetz verboten ist, die Aufwandsentschädigung abzulehnen. Wo sonst gibt es noch so etwas Fürsorgliches? Hinzu kommen noch die Übernahme aller Vorsorgeaufwendungen, Versicherungs- und Rechtsschutzleistungen, der Ersatz aller Auslagen und selbstverständlich die Erstattung eines glaubhaft nachgewiesenen Verdienstausfalls. Und wenn Sie dann noch eine 2. Amtszeit von 5 Jahren überstehen, steht Ihnen monatlich und ein Leben lang der sogenannte „Ehrensold“ von 2/3 der zuletzt ausgezahlten Aufwandsentschädigung zu. Bei über 5.000 Einwohnern sind das zwischen 616,00 und 740,00 Euro, ohne dass Sie überhaupt ein Einkommen bezogen haben. Dafür muss ein Facharbeiter in der freien Wirtschaft relativ viel verdienen und über Jahrzehnte hinweg Versicherungsbeiträge zahlen. Auf die weiteren Vorteile durch Hintergrundwissen, Entscheidungsbeeinflussung und Mitspracherecht qua Amt muss hier nicht weiter eingegangen werden. Die kennt ja wohl jeder.

Auch Ihr Arbeitsaufwand als Ortsbürgermeister hält sich in Grenzen. Der Gesetzgeber hat den Umfang Ihres Jobs als Ortsbürgermeister bewusst so ausgelegt, dass Sie ihn neben der Ausübung Ihrer beruflichen Haupttätigkeit locker in Ihrer Freizeit bewältigen können.  Wenn Sie sich also allein auf die gesetzlich vorgeschrieben Aufgaben konzentrieren, nicht bei jeder Gelegenheit den „Grußaugust“ spielen möchten, auf alle Selbstdarstellungsmöglichkeiten verzichten, mit Ihrem Geländewagen keine permanenten Patrouillenfahrten durch die Ortsgemeinde veranstalten, auf Kutschfahrten mit einer Weinkönigin nicht Ihre Zeit vergeuden und nicht zu jedem Thema ungefragt Ihren Senf dazugeben, dann bleibt Ihnen ausreichend Zeit für Ihre eigentliche berufliche Tätigkeit, für Ihre Familie oder für die intensive Ausübung Ihrer Hobbys.

Nicht zu vergessen ist der psychotherapeutische und persönlichkeitsfördernde Aspekt des Amtes. Wenn beim Gang über den Weihnachtsmarkt Ihnen und Ihrer Familie die respektvollen und anerkennenden Blicke der Menschen aus der Ortsgemeinde zufließen, wenn Ihnen bei der Neujahrsveranstaltung ob der geradezu sensationellen, hebräischen Begrüßung einer syrischen Migrantenfamilie tosender Beifall der Anwesenden entgegenschallt oder wenn Sie drohend mit der Vorkaufsrechtssatzung durch die Gemeinde laufen und unbedarfte Bürgerinnen und Bürger eingeschüchtert zu Ihnen aufblicken, dann werden Sie schnell merken, wie gut das alles Ihrem Ego tut und zur Behebung Ihrer persönlichen Probleme beiträgt. Aber achten Sie darauf, dass Ihnen diese Lobhudelei und der unangebrachte Respekt nicht zu Kopfe steigen. Das hat schon bei manch anderem böse geendet.

Natürlich, und wenn nichts Außergewöhnliches geschieht, können Sie Ihre Bewerbung nur alle 5 Jahre abgeben. Dafür haben Sie jedoch den Vorteil, dass Sie im Gegensatz zu dem Gedränge auf dem freien Arbeitsmarkt nur mit einer begrenzten Anzahl von Personen konkurrieren müssen. In Stadecken-Elsheim dürften Sie mit höchstens 2 bis 3 Mitbewerbern rechnen, die sich dem Gemeindwohl verschrieben haben und bereit sind, sich für die Allgemeinheit aufzuopfern. Und die werden Sie ja wohl mit Ihren Fähigkeiten, Ihren Qualifikationen, Ihrer Eloquenz und mit Leichtigkeit aus dem Felde schlagen, oder? Also, starten Sie durch und legen Sie jetzt den Grundstein für eine erfolgversprechende und lukrative politische Karriere: Werden Sie Ortsbürgermeister!

PS. Ausgenommen von den vorausgegangen Annahmen sind selbstverständlich alle Personen, die sich mit Leib und Seele der ehrenamtlichen Tätigkeit eines Ortsbürgermeisters verschrieben haben und dem finanziellen Aspekt keinerlei Bedeutung zumessen.

6 Gedanken zu „Sie suchen eine lukratitive Nebentätigkeit? Werden Sie Ortsbürgermeister!“

  1. Diesen Artikel kann man sowohl als Satire, als auch zur realen Motivation für Bürger sehen.

    Um es zur Motivation für Bürger zu sehen, wäre eine zusätzliche Mitteilung interessant, ob man sich zur Wahl zum Bürgermeister auch ohne Zugehörigkeit einer Partei aufstellen kann. Bzw. muss ein parteiloser Kandidat eine bestimmte Anzahl von Unterschriften vorlegen, um kandidieren zu können?

    1. Wir bleiben lieber bei der Satire und sehen uns nicht als Stellenvermittlung oder JobCenter.

      Zu Ihrer Frage: Ein parteiloser Kandidat muss in Gemeinden mit bis zu 5.000 Einwohnern (Stadecken-Elsheim) von mindestens 40 Wahlberechtigten vorgeschlagen werden, bei mehr als 5.000 Einwohnern von mindestens 50 Wahlberechtigten (§ 16 KWG). Die Voraussetzungen für die Bewerbung als Ortsbürgermeister sind im § 53 der GemO festgelegt.

      Also, nichts wie ran. Sie haben noch 4 Jahre Zeit sich 40 oder 50 Freunde zu suchen. Die Voraussetzungen fürs Amt erfüllen Sie spielend.

  2. „Wenn Sie mit dem Verdienst aus Ihrer aktuellen beruflichen Tätigkeit nicht zufrieden sind und nach besseren Möglichkeiten Ausschau halten, wenn Sie Ihr aktuelles Einkommen verbessern und Sie sich ein kräftiges Zubrot verdienen wollen, wenn Sie nicht mehr berufstätig sind und sich beinahe zu Tode langweilen oder wenn Sie gar an Minderwertigskeitskomplexen leiden und dafür eine adäquate Therapie suchen, dann haben wir eine vielversprechende Empfehlung für Sie: Werden Sie ehrenamtlich tätiger Ortsbürgermeister in einer Ortsgemeinde! Es lohnt sich.“

    Na dann können die Mitglieder des Forums für die nächste Amtsperiode eine vielversprechende Bewerbung an die Gemeindeverwaltung richten…..

    1. Um das Amt eines Ortsbürgermeisters bewirbt man sich zum Glück nicht bei der Gemeindeverwaltung, sondern man muss von den Bürgerinnen und Bürgern einer Gemeinde gewählt werden. Wir haben uns jetzt mal umgehört: Von den Mitgliedern des Forums ist keines an einem Nebenverdienst interessiert. Wir lassen uns nicht gerne zur Annahme einer Aufwandsentschädigung zwingen. 😆

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert