Vorauseilender Gehorsam – Gemeinderat hat nur noch zuzustimmen.

alarmsireneMit Spannung wartet die Gemeinde auf die Beratung des unter Punkt 14 aufgeführten Tagesordnungspunktes der heutigen Gemeinderatssitzung. Es geht um die „Satzung über die Benutzung von Feld und Waldwegen vom 29.12.1972.“, über die bereits am 19.05.15 in einer Sondersitzung des „Ausschuss für Wirtschaft, Weinbau, Landwirtschaft, Wege, Umwelt und Tourismus“ gesprochen wurde. Warum dazu extra eine Sondersitzung einberufen wurde, weiß kein Mensch. Scheinbar hatte es der nicht-eingetragene Bauern- und Winzerverein sehr eilig, seine Vorstellungen umzusetzen.

Es ist übrigens die Ausschusssitzung, in der sich der neu gewählte Vorstand des Bauern- und Winzervereins Stadecken-Elsheim vorgestellt hat und auf deren Agenda, sicherlich nicht zufällig, die Themen „Beratung über die Neufassung“ der Wegesatzung, „die Erstellung einer Prioritätenliste“ für „Maßnahmen zur Sanierung landwirtschaftlicher Wege“ und die Vorstellung für ein „Vereinskonzept zur Kooperation mit der Gemeinde“ des Bauern- und Winzervereins auf der Agenda standen (siehe auch hier).

Nur zu Ihrer Information: Die Satzung, um die es heute geht, betrifft zu beinahe 100 % die Landwirtschaft und Weinbauern, denn es wird dort bestimmt, dass die Kosten für die Investition und den Unterhalt von Wirtschaftswegen zu 90 % von den Anliegern und zu 10 % von der Gemeinde getragen werden. Dies ist mehr als gerechtfertigt, denn während alle sonstigen Gewerbebetriebe uneingeschränkt zur Zahlung der Gewerbesteuer herangezogen werden, ist diese Berufsgruppe ausdrücklich von dieser Steuerlast befreit. Dafür gibt es recht seltsame Begründungen, auf die wir aber hier nicht näher eingehen werden.

Bevor wir gleich auf etwas recht Außergewöhnliches hinweisen, möchten wir erst einmal richtigstellen:

  1. Die Satzung ist nicht, wie von der Gemeindeverwaltung angegeben, von 1972, sondern die aktuelle Satzung ist aus dem Jahre 1996, was natürlich auch den Aktualisierunsbedarf relativiert.
  2. Es handelt sich dabei nicht, wie von der Gemeindeverwaltung behauptet, um eine Satzung über die „Benutzung“, sondern um die „Beiträge für die Benutzung“ von Wirtschaftswegen. Das ist ein gewaltiger Unterschied und es wird wieder einmal geflissentlich verschwiegen, dass es sich bei dieser Satzung um die finanziellen Belange der Landwirtschaft und der Weinbauern handelt. Eine solche Verschleierung kennen wir bereits aus der „Freistellung des Ortsbürgermeisters“
  3. Die Satzung gilt nicht nur für Feld- und Waldwege, sondern auch für die Erhebung von Beiträgen für die Benutzung von Weinbergswegen, was von der Gemeindeverwaltung verschwiegen wird und wieder einmal den Verdacht aufkommen lässt, dass es die betroffene Berufsgruppe nichts angeht und sie wieder einmal außen vor gelassen werden soll.
  4. Während in der Ausschusssitzung am 19.05.15 noch von einer „Neufassung“ der Satzung gesprochen wurde, ist jetzt plötzlich nur noch von einer „Aktualisierung“ die Rede, was wiederum darauf schließen lassen könnte, dass der Bauern- und Winzerverein der Gemeinde „entgegengekommen“ ist und seine Forderungen reduziert hat.

Gut, das mögen semantische Petitessen sein. Und Fehler können mal passieren, ohne dass man dahinter gleich böse Machenschaften vermuten muss. Was jedoch verräterisch und beinahe symptomatisch für diesen Gemeinderat ist, ist die Tatsache, dass in der Ergänzung und Erläuterung zu diesem Tagesordnungspunkt die Formulierung „Zustimmung zur Aktualisierung“ verwendet wird. „Zustimmung“! Dahinter versteckt sich schon eine provokante Unterminierung demokratischen Prozesse und ein Vorgang, der an Diskriminierung und Geringschätzung eines Gemeinderates kaum noch zu übertreffen ist. Es geht in dieser Gemeinde scheinbar nicht mehr um die Ausübung der Pflichten und Rechte eines Gemeinderates, nicht mehr um die Prüfung von Anträgen und deren Begründung, nicht mehr um die objektive Beratung von Anliegen und Gemeindeangelegenheiten, nicht mehr um das kritische Abwägen von Pros und Cons, nicht mehr um den Austausch von Meinungen und Ansichten, sondern es geht in dieser Gemeinde scheinbar nur noch um das blinde, kritiklose und duckmäuserische Durchwinken von vorgelegten Anträgen der Verwaltung und des überforderten Ortsbürgermeisters.

Es ist einfach ungeheuerlich und unfassbar: In Stadecken-Elsheim nimmt ein Ortsbürgermeister jetzt schon in der Einladung zu einer Gemeinderatssitzung das gewünschte Abstimmungsergebnis vorweg, so dass man beinahe die Vermutung haben könnte, dass dem Bauern- und Winzerverein bereits in vorauseilendem Gehorsam seine Wünsche und Bestrebungen gewährt werden. Man darf sich deshalb nicht mehr darüber wundern, wenn über die seltsame Rolle dieses Vereins in Stadecken-Elsheim immer mehr spekuliert wird.

Wir jedenfalls sind sehr gespannt darauf, zu welcher „Aktualisierung“ der Satzung über die Erhebung von Feld-, Weinberg- und Waldwege der Ortsgemeinde Stadecken-Elsheim von 1996 der Gemeinderat in seiner heutigen Sitzung seine „Zustimmung“ geben wird.

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