Meist sind es die kleinen, harmlosen und unscheinbaren Dinge, die uns so stutzig und misstrauisch machen. Denn in der Gemeinderatssitzung am 16.11.2015 hat jetzt das SPD-Gemeinderatsmitglied Manfred Rau unter „Top 12“ seine Kolleginnen und Kollegen gebeten, „sich dem Thema ‚Wiederkehrende Beiträge‘ zu widmen.“ Was unter „Wiederkehrende Beiträge“ zu verstehen ist, wissen wir. Was aber meint das Gemeinderatsmitglied, dem sonst eine klare und eindeutige Ausdrucksweise zu attestieren ist, mit der geradezu sybillinischen Formulierung „widmen“?
Meint er damit, dass sich die Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat etwa mal über das System von wiederkehrenden Beiträgen für die Herstellung und den Ausbau von Verkehrsanlagen schlau machen sollen? Sollen sie etwa sogar über die baldige Einführung von wiederkehrenden Beiträgen nachdenken? Ist die Anregung eine Einzelinitiative von Herrn Rau oder vielleicht ein interner Beschluss der gesamten SPD-Fraktion oder gar des gesamten SPD-Ortsvereins? Warum stellt man dann nicht gleich einen Antrag und lässt den Gemeinderat über diesen Antrag entscheiden? Und nur so ganz nebenbei gefragt, hat über dieses Thema überhaupt schon der Bauern- und Winzervereins abgestimmt und der Gemeindeverwaltung auf dem „kleinen Dienstweg“ sein OK gegeben?
Wir haben auf all diese Fragen keine klare Antwort, vermuten aber, dass nach der Erhöhung der Kita-Beiträge, nach der Anhebung der Gebühren für die Nutzung der gemeindlichen Veranstaltungsräume und der vermutlich bald wieder vorgesehen Erhöhung der Grundsteuer, der Boden für einen weiteren Dreh an der Abgabenschraube und eine Mehrbelastung für die Bürgerinnen und Bürger vorbereitet wird. Dabei ist man mit dem System der einmaligen Beiträge bisher bestens zurechtgekommen, sieht man einmal davon ab, dass die Allgemeinheit für den Ausbau des auschließlich von den Anliegern genutzten Wirtschaftsweg westlich des Baugebietes Kleinfeld III mit über 30.000,00 Euro in Anspruch genommen wurde, obwohl die Anlieger laut Satzung für diesen Betrag hätten aufkommen müssen.
Über alle Parteigrenzen hinweg und sicherlich jedem im Gemeinderat ist klar, dass die Einnahmen der Gemeinde zukünftig nicht mehr unerschöpflich fließen werden und die Gelder aus der Gemeindekasse sorgfältiger und nicht mehr nach dem Gießkannenprinzip ausgegeben werden können. Da ist jede Zusatzeinnahme herzlich willkommen und, so ist zu vermuten, die Abgabenerhöhung in den Köpfen des Gemeinderats schon längst eine beschlossene Sache.
Denn scheinheilig und sofort wird vom „überforderten“ Ortsbürgermeister zugesagt, „sich in 2016 die Straßen anzuschauen und dann evtl. bei Bedarf „wiederkehrende Beiträge“ einzuführen und eine entsprechende Planung vorzubereiten.“ Unglaublich, da wird verschleiernd gerade so getan, als ob bisher keine Finanzmittel zur Verfügung gestanden hätten und die Erstellung und der Ausbau der Gemeindestraßen nur noch über wiederkehrende Beiträge finanziert werden können. Clou der gesamten Heuchelei ist dann noch die Ankündigung, nach der Einführung von wiederkehrenden Beiträgen die Bevölkerung durch eine Einwohnerversammlung zu informieren. Auf die Idee, vor der Einführung von wiederkehrenden Beiträgen mit Bürgerinnen und Bürgern zu diskutieren und deren Meinung einzuholen, kommt der abgehobene Ortsbürgermeister erst gar nicht.
Wir möchten an dieser Stelle und heute noch nicht über das Pro und Contra zur Einführung von wiederkehrenden Beiträgen sprechen. Eines steht aber jetzt schon fest: Mit dem System der wiederkehrenden Beiträge wird die Tür zu einer verstärkten Interessen- und Klientel-Politik noch ein bisschen weiter geöffnet und die Transparenz von Verwaltungs- und Ausgabenentscheidungen der Verwaltung zusätzlich eingeschränkt. Das kann nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger sein.
Den Paragraphen 10a KAG gibt es erst seit 16.12.2006.
Lange Zeit hat keine Gemeinde der VG Nieder-Olm von diesem Paragraphen Gebrauch gemacht. Schließlich waren die kommunalen Einnahmen und die Zuschüsse des Kreises ausreichend für die Instandhaltung der Gemeindestraßen. Nun scheinen die Einnahmen in andere Bereiche zu versickern und Rücklagen für Straßensanierungen werden nicht gemacht.
Daher sind die ersten Gemeinden der VG auf die Idee von Mehreinnahmen durch §10a gekommen. Zornheim, Essenheim waren die Testgemeinden. Dort hat sich kein Widerstand geregt. Also hat auch Ober-Olm in diese Kerbe geschlagen.
Kritische Stimmen haben ohnehin keine Chance auf Änderungen, weil die Einberufung von Bürgerversammlungen nur eine informelle Alibifunktion hatte. In diesem Stil wird wahrscheinlich auch die Gemeindeverwaltung in Stadecken-Elsheim vorgehen. Es ist natürlich bitter, dass sich die Oppositionpartei SPD mit dem Sprachrohr Rau als scheinbarer Vorreiter für eine Erhöhung von Abgaben tätig zeigt. So etwas muss man sich eben merken, wenn es wieder darum geht Kreuze zu verteilen.
Ja, das mit der geplanten Einwohnerversammlung ist wirklich eine hinterlistige Nummer. Da versucht Barth wieder einmal die Bürgerinnen und Bürger hinters Licht zu führen und den Eindruck zu erwecken, als ob die Menschen durch solch eine Veranstaltung ein Mitsprache- und Entscheidungsrecht hätten. In der Gemeindeordnung ist eindeutig aufgeführt, dass eine Einwohnerversammlung ausschließlich dem Zweck der Unterrichtung der Einwohner gelten soll. Von Mitsprache- oder Entscheidungsrecht ist dort kein Wort zu lesen.
Und was die Rolle der SPD im Gemeinderat und in der Ortsgemeinde betrifft, da sind wir schon lange der Meinung, dass die Damen und Herren dieser Partei ihre Aufgabe und Funktion immer noch nicht begriffen haben, so lange Bouleabende und Kartoffelfeste im Zentrum ihrer politischen Arbeit stehen.
Was sind denn „Wiederkehrende Beiträge“?
Wiederkehrende Beiträge sind im § 10a des Kommunalabsatzgesetzes (KAG) wie folgt definiert und geregelt:
„(1) Die Gemeinden können durch Satzung bestimmen, dass an Stelle der Erhebung einmaliger Beiträge (§ 10) die jährlichen Investitionsaufwendungen für Verkehrsanlagen nach Abzug des Gemeindeanteils (Absatz 3) als wiederkehrender Beitrag auf die beitragspflichtigen Grundstücke verteilt werden.“
Vereinfacht gesagt: Während nach dem aktuellen Verfahren einmalige Beiträge nur von den Anliegern einer neuen bzw. renovierten Straße/Wirtschaftsweg für die Investitionskosten erhoben werden, werden diese Kosten beim wiederkehrenden Verfahren auf alle Grundstückseigentümer in der Ortsgemeinde verteilt.
Das Verursacher- und Begünstigtenprinzip wird dadurch weitestgehend außer Kraft gesetzt. Sie können sich jetzt schon selbst einen Reim darauf machen, was in einer land- und weinwirtschaftlich geprägten Gemeinde dahintersteckt.