„Letzte Infos“ vor Katastrophenbeginn: Verwaltung und Gemeinderat im Krisengebiet

„Letzte Infos“ zur Beruhigung der Bevölkerung gab es am Samstag, den 20.02.2020, bevor das Unheil am Montag, den 03.03.2020, seinen Lauf nehmen konnte. Gemeinsam mit dem Gemeinderat hatte sich die Verwaltung noch einmal in das Krisengebiet begeben, um die verängstigten und besorgten Anwohner*innen „über den neuesten Sachstand zum Ausbau der Ortsdurchfahrt Stadecken-Elsheim zu unterrichten.“ Der Dramatik der Situation angemessen wurden weitere, drastische Maßnahmen verkündet; in einer Wortwahl, die man teilweise, jedoch nicht ohne Berechtigung, sogar als martialisch bezeichnen könnte.

Im Foyer des Rathauses hat man jetzt den Eindruck, als ob man im Londoner Planungsstab der Alliierten wäre und man dort gerade die Landung in der Normandie („D-Day“) vorbereiteten würde. Jede Maßnahme und Bewegung ist dort akribisch festgehalten und wird auf großen Schautafeln generalstabsmäßig erfasst. Beinahe jeder Quadratmeter, der betroffen ist, wird ein detaillierter Sanierungsplan aufgeführt und beschrieben. Vor lauter Aktionsplänen findet man kaum noch die Tür zur Verwaltung.

Auch auf der Webseite der Gemeindeverwaltung überschlagen sich die Ereignisse. Es vergeht kaum noch einen Tag, an dem nicht ausführlich über das Jahrhundertereignis informiert und die „Frontberichterstattung“ des LBM verbreitet wird. Sogar die örtliche SPD sorgt sich um die Bevölkerung. Während die CDU auf ihrer Webseite kein Wort über die erwartete Krisensituation verliert und die Menschen in der Ortsgemeinde im Stich lässt, wiederholt die SPD auf ihrer Facebook-Seite brav die „Aufmarschpläne“ des LBM und steht geschlossen, wie man es eben von einer Volkspartei erwartet, an der Seite der Bevölkerung, wobei ihr besonders die Umleitungen der Buslinien und die veränderten Abfahrtszeiten am Herzen liegen.

„Die Verbindung zwischen den beiden Ortsteilen ist für Wochen gekappt“, so die im Brennpunkt stehende Gisela Zurmühlen von der AZ Mainz, und man hat beinahe den Eindruck, dass sie beim Verfassen ihres Berichts an vom Hinterland abgeschnittene Fronttruppen denkt, die vom Nachschub der Versorgungseinheiten abgeschnitten und dem Tod durch feindliches Feuer geweiht sind. Auch Ortsbürgermeister Barth (CDU) merkt man die Nähe zur Front an. An den Bau des Westwalls mit seinen Panzersperren fühlt man sich erinnert, wenn er Meldung erstattet und bekanntgibt, dass der gesamte Effengraben „ab sofort mit Pollern abgesperrt“ wird und es „kein Durchkommen“ mehr gibt, sicherlich auf der ganzen Linie. Selbst auf „Schleichwegen“ wird es keinen Durchbruch geben, kündigt Barth dort doch umfangreiche Patrouillengänge an.

Am Dorfplatz und an der Selztalhalle wurden extra Radständer aufgestellt, damit Menschen, die versuchen, die beiden für Monate getrennten Ortsteile zumindest zu Fuß zu erreichen, auch ordentlich ihre Fahrräder abstellen können. Und aus der Bevölkerung wurde die wichtige Forderung erhoben, „dass die Ausschilderung des Selztal-Radwegs geändert werden muss,“ worauf Krisenmanager Barth, zupackend verspricht: „Das werden wir in die Wege leiten.“ Im Schaufenster der „Abschnittsbeauftragten“ Fürst, die für dieses Amt extra geschult wurde und bei der die Menschen Hilfe anfordern können, wenn sie einmal nicht mehr weiter wissen, kann man sich „im Vorrübergehen“ über den weiteren Katastrophenverlauf informieren. An alles ist gedacht. Fehlt nur noch, dass Pfarrer Winter und Pastorin Anita Nowak-Neubert einen gemeinsamen Feldgottesdienst abhalten.

Seit mehr als einer Woche befindet sich nun die Gemeinde im Ausnahmenzustand und in einer dramatischen Situation, und natürlich ist die Sanierung für die Anlieger*innen mit allerlei Unannehmlichkeiten und Einschränkungen verbunden. Das ist bedauerlich. Deshalb zeigen wir uns solidarisch und rufen den verzweifelten Menschen in der Schul- und Mainzer Straße zu: Bei allem Leid, das Ihr ertragen müsst, Ihr seid nicht allein. Wir sind sicher, dass wir die große Herausforderung gemeinsam bewältigen und „Mit kleinen Schritten zu mehr Rücksicht“ meistern werden.