Neues Motto für 2020: In großen Schlucken für mehr Stimmung.

Zu Beginn dieses Jahres hat der Gemeinderat von Stadecken-Elsheim sich aufgerufen gefühlt, die Menschen in der Ortsgemeinde mit dem Jahresmotto „In kleinen Schritten für mehr Rücksicht“ zu mehr Rücksichtnahme im Miteinander aufzufordern. Zu diesem Zweck wurden bereits beim diesjährigen Neujahrsempfang der Verwaltung 34 Kinder der Kita „Haus des Kindes“ eingespannt und mussten auf der Bühne die Buchstaben mit dem Kampagnenmotto hochhalten. Damals hat man sich zwar über die Darbietung der Kinder gefreut, sich aber gleichzeitig über Sinn und Zweck der Aktion gewundert und gefragt, was den Gemeinderat eigentlich zu dieser Aktion bewogen hat und welchen Zweck er damit verfolgt.

Auch in einem extra für die Aktion aufgelegten 2-seitigen Flyer, den alle Mitglieder des Gemeinderats handschriftlich signiert haben, haben wir vergeblich nach Aufklärung gesucht und hätten liebend gern etwas über die „kleinen Schritte“ erfahren, wurden aber endlos enttäuscht. Dieser Flyer war so inhaltslos und nichtssagend, um nicht zu sagen: verwirrend, (siehe hier), dass man sich die aus der Gemeindekasse bezahlten Druckkosten hätte sparen können.

In der Drucksache beschwört der Gemeinderat eine Stimmung, die er meint, bei der letztjährigen Veranstaltung zum 50. Jahrestag der Zusammenlegung von Elsheim und Stadecken vorgefunden zu haben: „Was hatten wir für einen Spaß an diesem tollen Wochenende! Was haben wir zusammen auf die Beine gestellt und gemeinsam an Frohsinn erlebt! Es war einfach nur schön…“. Ob er jetzt seine eigene oder die Feierlaune der Bürgerinnen & Bürger gemeint hat, wissen wir nicht. Wir fragen uns aber, was die vermeintliche Stimmung bei einer Feier für einen banalen Verwaltungsakt mit einem Motto wie „In kleinen Schritt für mehr Rücksicht“ zu tun hat. Logische Antwort: Rein gar nichts. Wir müssen aber dennoch lesen, dass es dem Gemeinderat ein Anliegen ist, „diesen Geist und diese positive Energie weiterhin in Ihrem Alltag zu pflegen, damit auch in Zukunft gilt: „ Stadecken-Elsheim – einfach lebenswert.“  Die Menschen, so verstehen wir den Wunsch des Gemeinderats, sollen also einfach in Feierlaune bleiben, damit Stadecken-Elsheim auch in Zukunft „einfach lebenswert“ bleibt. Gut, das ist schön, aber immer noch keine logische Begründung für das vom Haus des Kindes choreografierte Jahresmotto. Denn dann hätten die Kinder besser die Buchstaben für „In großen Schlucken für mehr Stimmung!“ hochhalten solloen

Um aber dennoch die Kurve zu kriegen, gibt uns dann der Gemeinderat eine unerwartete und überraschende Begründung für seinen Wunsch, die vermutete Feierlaune beizubehalten: „Denn die in den nächsten Monaten anstehenden großen Projekte -z. B. der Neubau des Vereinsheims, die Erweiterung „Haus des Kíndes„ oder die Sanierung der Landesstraßen – werden äußerlich deutliche Einschränkungen, viel Verständnis und Geduld erfordern.“ Jetzt endlich leuchtet es uns ein: Die aktuell drei öffentlichen Bauprojekte, Bau des Vereinsheim, Ausstockung der Kita und die Sanierung der zwei Landesstraßen durch den LBM, sollen, so die Bitte des Gemeinderats, von den Bürgerinnen & Bürgern mit einer Art Festtagsstimmung begleitet werden. Darauf muss man erst einmal kommen.

Rücksicht bzw. Rücksichtnahme bedeutet landläufig, dass man sich in seinem eigenen Verhalten wohlwollend gegenüber Personen oder einer Sache gibt. Gegenüber Personen ist dieses Verhalten besonders dadurch charakterisiert, dass man die Gefühle, Interessen, Bedürfnisse oder die besondere Situation anderer Menschen berücksichtigt und respektiert. Rücksicht bzw. Rücksichtnahme setzt den Respekt gegenüber anderen Menschen voraus und ist ein wichtiges, ethisch-moralisches Prinzip für ein rücksichtvollesMiteinander in einer zivilisierten Gesellschaft.

Wenn jetzt ein Gemeinderat die Stimmung bei einer Feier für einen banalen Verwaltungsakt zum Maßstab eines ethisch-moralischen Prinzips macht und dieses Prinzip wegen der Durchführung von drei öffentlichen, ganz normalen Bauprojekten einfordert, dann muss man sich ernsthaft fragen, ob diese ehrenamtlich tätigen Damen und Herren noch alle fünf Sinne beieinander haben. Wenn dazu noch ein Ortsbürgermeister sich damit wichtigtut, in der jetzigen Situation Desinfektionsratschläge und Durchhalteparolen zur Überwindung der Coronakrise zu geben, dann stimmt etwas nicht in den Köpfen dieser Gemeindeverwaltung. Es wäre besser, wenn „die von Ihnen gewählten Mitglieder des Gemeinderats“ und der Ortsbürgermeister sich auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren und weder den Moralapostel noch den Krisenmanager spielen würden.
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