Als wir uns kürzlich über ein Foto von Ortsbürgermeister Barth auf der Webseite der Gemeindeverwaltung freuen konnten, haben wir im ersten Moment gedacht, der Bauern- und Winzerverein hätte dem Ehrenbeamten bereits vorzeitig und vor Ablauf seiner Amtszeit ein Denkmal errichtet. Stolz wie die Germania auf dem Niederwalddenkmal hoch über Rüdesheim vollzieht Barth, in schwindelerregender Höhe und ungesichert, auf einem Weinfass stehend am Stadecken-Elsheimer Tennisplatz die Einweihung der Hiwweltour Stadecker-Warte (siehe hier). Unter „großer Beteiligung der Öffentlichkeit“ soll die Eröffnung stattgefunden haben und die Hiwwelroute, so die Gemeindeverwaltung, wäre anschließend von „Wandermassen“ begangen worden, was uns irgendwie an Wanderheuschrecken erinnert.
Die Verbandsgemeindeverwaltung spricht in einem Artikel sogar von „mehreren Hundert Menschen“, die den Weg zu den Tennisplätzen gefunden hätten. Wir halten diese Aussagen für stark übertrieben und haben selbst nur exakt 74 Personen gezählt – könnten uns allerdings auch getäuscht haben.
Offensichtlich hat Ortsbürgermeister Barth unseren Artikel „Was ist los? Ortsbürgermeister Barth nicht im Bild“ sehr ernst genommen und sich von den Werbestrategen der Verwaltung im Artikel zur Eröffnung der Hiwweltour gleich auf fünf von sechs Fotos abbilden lassen – allerdings auf einem Foto nur von hinten (siehe hier). Beinahe jede Sekunde, die Barth in Erscheinung getreten ist, wurde bildlich festgehalten.
Auf einem der Fotos der Barth-Bilderreihe und sicherlich nicht zufällig, strahlen uns auch drei führende Vertreter des Bauern- und Winzervereins entgegen, „die das Projekt angestoßen und von Anfang an begleitet haben.“ „Die Gestaltung…, so dann das Weinvermarktungs-Unternehmen Rheinhessen-Touristik, …trägt die Handschrift der ortsansässigen Winzer und macht diese Hiwweltour zu einem ganz besonderen Erlebnis.“ Oha! Auch die Verbandsgemeindeverwaltung spricht von einer „liebevollen Gestaltung der Wanderwege und Rastplätze“ und ernennt die drei Großkopferten vom Bauern- und Winzerverein dann auch gleich zu „Hiwweltour-Beauftragte.“ Man hat beinahe den Eindruck, als ob sich der gesamte Bauern- und Winzerverein in mühevoller Kleinarbeit eigenhändig durchs Terroir gegraben und die Hiwwelroute im Alleingang gewuppt hätte. Dennoch redet Barth, offenbar noch vom Höhenfieber gepackt und in völliger Verkennung der Realität, verwirrt und konfus von „seiner Hiwweltour“, was die Weinbauern ihm wohl noch recht übelnehmen werden.
Insgesamt wurden für die Hiwwelroute über 40.000,00 Euro ausgegeben, wovon 16.000,00 Euro auf die Ortsgemeinde fielen. Barth und Spiegler sind sich sicher, „dass sich diese Investition lohnt und die Gemeinde von der Hiwweltour profitieren wird.“ Wir dagegen sind uns gar nicht so sicher, denn es hat eher den Anschein, dass mit der Hiwwelroute den Weinbauern ein weiteres, unentgeltliches Werbe- und Verkaufsförderungsinstrument an die Hand gegeben wurde, das wieder einmal vom Steuerzahler bezahlt wird. So ist denn auch nicht verwunderlich, dass der Bauern- und Winzerverein bei der Eröffnung gleich zwei werbewirksame Weinproben veranstaltete und an der Stadecker Warte zu gesalzenen Preisen Essen und Trinken feilbot – natürlich mit den edlen und erlesenen Weinen aus Stadecken-Elsheim.
Gleichzeitig und unter „Einkehrtipps und Vinotheken an der Hiwweltour“ werden dann von der Rheinhessen-Touristik, dem Sprachrohr der rheinhessischen Winzer, gleich noch vier Weinbauern empfohlen, bei denen die verdurstenden „Wandermassen“ auf der Hiwwelroute anschließend in die Panorama-Vinotheken und Aroma-Weinhöfe einfallen und dort die Kassen klingeln lassen können. Zwei der Betriebe liegen noch nicht einmal an der Hiwweltour und von anderen Gewerbetreibenden, die ja auch von den Steuergeldern profitieren sollen und an denen der Tourismus ja nicht vorbeirauschen soll, ist mit keinem Wort die Rede
Mit dieser Klientel- und Interessenpolitik geht das in dieser Region eigentlich schon seit gefühlten 200 Jahren so: Wenn in Rheinhessen über Tourismusförderung gesprochen wird und dafür Gelder lockergemacht werden, so sind damit steuerfinanzierte Projekte und Ausgaben gemeint, die überwiegend der „darbenden“ Weinwirtschaft zugutekommen und nur in eine Richtung fließen. Alle anderen Gewerbetreibenden gucken in die Röhre und schauen dem Geldfluss neidvoll hinterher. Oder glaubt jemand ernsthaft daran, dass sich die erschöpften „Wandermassen“ nach dem „Wandergenuss“ auf der Hiwwelroute bei einem Friseur in Stadecken-Elsheim die Dauerwelle legen lassen oder sich bei Fakundiny für ihre Kinder mit Schulsachen eindecken?
Vom Tourismus und die dafür bereitgestellten Gelder sollten eigentlich viele, wenn nicht sogar alle Gewerbetreibenden in Stadecken-Elsheim profitieren. Nutznießer dieser einseitigen Politik ist jedoch nur die Klientel, deren Mitglieder mit über einem Drittel den Gemeinderat dominieren und peinlichst genau darauf achten, dass keine Entscheidungen gegen ihre Interessen getroffen werden und die Gelder für die Tourismusförderung reibungslos fließen. So gehen unter dem Mäntelchen der „Tourismusförderung“ die Steuergelder nur in eine Richtung und nur an die Klientel, die mit keinem einzigen Cent zum Gewerbesteueraufkommen beiträgt.
Wenn dem so ist, dass Winzer zwar gute Einnahmen durch ihre Straußwirtschaften erzielen, aber trotz Gewerbes keine Gewerbesteuer entrichten, ist das in der Tat nicht nachvollziehbar. Da müssen ganz schön viele Kisten Wein über den Beamten- oder Politikertisch (Wirtschaftsministerium) geschoben worden sein, dass kommerzielle Straußwirtschaften von der Gewerbesteuer ausgenommen worden sind.
Jeder kleine Hansel, der eine Solaranlage auf dem Dach hat und damit wesentlich weniger Gewinn macht als eine Straußwirtschaft, muss seinen lächerlichen Gewinn versteuern und sogar die Krankenkasse hält unersättlich die Hand auf. Wenn die Gewerbeeinnahmen und Gewinne durch Straußwirtschaften nicht erfasst werden, können sich Winzer genüsslich die Hände reiben.
Von §13 EStG sind landwirtschaftliche Betriebe ausgenommen, wenn sie z.B. Wdie Verabreichung von Speisen und zugekauften Getränken in Besen- oder Straußwirtschaften, wenn der Umsatz aus diesen Leistungen nicht 50 % des Umsatzes der Besen- oder Straußwirtschaft und nicht 51.500 EUR im Wirtschaftsjahr übersteigt“.
Wer kann in der Realität die Leistungen und Einnahmen der Straußwirtschaften erfassen?
Sie glauben doch wohl nicht, dass nur ein Winzer in Deutschland so dämlich ist, für Speisen und zugekaufte Getränke in Gutsschänken, Straußwirtschaften, Hofläden oder bei Weinverköstigungen mehr als 50 % des Umsatzes für diese Leistungen bzw. mehr als 51,500,00 Euro jährlich dafür auszugeben, wobei eh beinahe 100 % über das gewerbesteuerfreie Normalgeschäft laufen. Sie können deshalb realistischerweise davon ausgehen, dass in Deutschland nicht ein einziger Winzer auch nur einen Cent an Gewerbesteuer bezahlt.
Und wenn wir schon gerade bei Steuerbegünstigungen sind: Laut § 13 EStG hat ein Winzer, im Fall der Zusammenveranlagung mit dem Ehegatten, bei der Einkommenssteuer einen Freibetrag von sage und schreibe 61.400,00 € jährlich. Der Grundfreibetrag für alle anderen, hart arbeitenden Menschen beträgt bei Zusammenveranlagung 17.640,00 €, für die keine ESt bezahlt werden müssen. Warum das so ist? – weiß kein Mensch. Ist aber schön für die Winzer. Sie zahlen also auch über den Anteil der Gemeinden an der Einkommenssteuer kaum etwas in die Gemeindekasse ein. Sitzen aber mit 7 Vertreter im Gemeinderat und verpulvern großzügig das Geld der anderen, braven Steuerzahler. Das Thema Subventionen möchten wir erst gar nicht ansprechen. Da würden Ihnen die Haare zu Berge stehen.
Liebes Forum, ich weiß ja nicht von welchen „gesalzenen Preisen“ sie sprechen, aber das einzige was an der Warte gesalzen war, waren die Bezeln. Es war an diesem Tag für die Wanderer alles frei, es stand lediglich einen Spendenbox herum.
Im Übrigen kenne ich auch keinen Tourist, der im Urlaub zum Frisör geht, insofern dürfte es nach ihrer Argumentation nirgendwo eine Tourismusförderung geben. Konsequenterweise werden immer die Betriebe mehrheitlich von der Förderung profitieren, die den meisten Kontakt mit den Touristen haben. Der Rest profitiert hoffentlich indirekt durch die Steuermehreinnahmen (auch wenn Winzer keine Gewerbesteuer zahlen) und die damit verbunden Möglichkeiten der Kommune, die allgemeine Infrastruktur zu verbessern.
Lieber einfacher Bürger,
auch über Ihre Kommentare freuen wir uns immer wieder. Und oft haben Sie sogar recht. Das mit den „gesalzenen Preisen“ war natürlich nur symbolisch gemeint und bezog sich auf das Preisniveau einiger, abgehobenen Winzer. Dennoch, es war falsch und wir haben das in dem Artikel korrigiert.
Bei der Tourismusförderung sieht das allerdings ganz anders aus. Wir möchten Stadecken-Elsheim nicht mit Rothenburg ob der Tauber oder Füssen mit Schloss Neuschwanstein vergleichen, aber Sie glauben doch nicht allen Ernstes, dass jemand sich bewusst nach Stadecken-Elsheim verirrt, um sich am Zollturm, dem Hibo-Häuschen oder der Burgscheune zu ergötzen. Glauben Sie wirklich, dass jemand durch die beiden Ortskerne wandelt und sich dabei von den 45-Tonnern der Winzer durch die engen Gassen treiben lässen möchte? Halten Sie es etwa für möglich, dass jemand nach Stadecken-Elsheim kommmt, um durch die „Shoppingmeile“ des 8-Morgen-Zentrums zu flanieren und sich mit außergewöhnlichen Mode-Accessoires einzudecken?
Nein, erntstgemeinte und sinnvolle Tourismusförderung setzt voraus, dass zumindest der Ansatz einer touristischen Substanz vorhanden und zu erkennen ist. Das aber ist leider nicht der Fall. Wir wohnen und leben gerne in Stadecken-Elsheim, aber wenn hier von den einschlägigen Kreisen zu jeder sich bietenden Gelegenheit das Wort „Tourismusförderung“ in den Mund genommen wird, dann handelt es sich dabei in den meisten Fällen um den Versuch, scheinheilig und klammheimlich einer bestimmten Klientel, nämlich den Winzern, ungerechtfertigt Gelder aus der Gemeindekasse zukommen zu lassen. Und das wird man doch in dieser Ortsgemeinde wohl noch sagen dürfen, oder? Alles andere ist vorgeschoben und geheuchelt.
Sie können natürlich sagen, was sie wollen, es ist ja ihr Forum. Ob das allerdings jemanden interessiert, der die Situation ändern kann, wage ich allerdings zu bezweifeln.
Zum Thema Preisniveau empfehle ich ihnen Mal einen Ausflug in unsere benachbarten Weinanbaugebiete Rheingau und Nahe, dann werden sie feststellen, dass wir hier was die Preise betrifft im gelobten Land leben. Alternativ gibt es natürlich die Discounter oder sie trinken gleich Bier.
Sie können doch auch sagen, was sie wollen. Wir unterdrücken doch hier im Forum keine Meinung.
Wir vergleichen das Preisniveau mit den hiesigen, regionalen Lagen und nicht mit dem abgehobenen Schaumschlägern im Rheingau. Fahren Sie nur mal bis Groß-Winternheim, da merken Sie den Preisunterschied. Auch beim Discounter gibt es nachweislich gute Weine, dass darf doch nicht geleugnet werden. Und vor einem gut gezapften Pils laufen wir auch nicht weg. Oder haben Sie etwas gegen Bier?
Liebes Forum, sie haben recht, wenn Sie sagen, dass bei der offiziellen Eröffnung nur ca. 80 Leute anwesend waren. Aber auf der Strecke wurden über 400 Wanderer gezählt, was ja durchaus eine beachtliche Zahl ist. Dass diese Art der Tourismusförderung hauptsächlich den Winzern und naturbedingt auch der einheimischen Gastronomie am meisten dient, liegt ja wohl klar auf der Hand. Ein Tourist wird sich in den seltensten Fällen einen Traktor kaufen wollen oder einen Computer reparieren oder sich die Haare föhnen lassen. Das liegt in der Natur der Sache. Im Übrigen zahlen die Winzer wenigstens Umsatzsteuer. Daran hat die Gemeinde auch einen Nutzen. Meckern Sie nicht immer so rum, bleiben Sie doch bitte sachlich, die Gesetzeslage ist nun mal so.
Lieber Kenner,
ja, wir schätzen Ihre Kommentare. Aber manchmal verwechseln Sie Form mit Inhalt. Werden Sie doch einmal konkret und zeigen Sie uns, an welcher Stelle unseres Artikels wird unsachlich sind oder rummeckern.
Entgegen Ihrer Aussage bezahlen die Winzer, wie übrigens alle anderen Bürgerinnen und Bürger auch, nur für ihren privaten Verbrauch die Umsatzsteuer. Die Umsatzsteuer ist eine Steuer, die auf die Endverbraucher überwälzt wird. Umsatzsteurn auf Betriebsausgaben können abgesetzt werden und werden von den Winzern nicht getragen. Das anteilige Umsatzstueraufkommen der Gemeinden wird ausschließlich vom Endverbraucher, dazu gehören auch die Winzer, getragen.
Der eigentliche, steuerrechtliche Skandal ist, dass die Winzer komplett von der Gewerbesteuer befreit sind. Die Gewerbesteuer ist zwar keine Äquivalenzssteuer, aber eine Art Gegenleistung der Unternehmen für kommunale Ausgaben zur Existenzsicherung der lokalen Unternehmen. Dass ausgerechnet die Branche, nämlich die Winzer und Bauern, die vor den übrigen Gewerbetreibenden am meisten von den kommunalen Ausgaben profitieren, von der Gewerbesteuer befreit sind, ist schon absurd und reine Klientelpolitik.