Geheimrat statt Gemeinderat – Hinterzimmer-Politik in Stadecken-Elsheim.

Wie sein Vorgänger Müller nimmt es auch Ortsbürgermeister Barth mit dem Transparenz- und Öffentlichkeitsprinzip nicht so genau. So ist in der Gemeinderatssitzung am 02.11.17 plötzlich und wie aus heiterem Himmel der Tagesordnungspunkt „Erlass von Forderungen“ auf der Agenda aufgetaucht, von dem auf der Einladung mit keinem Wort die Rede war. Und aus unerklärlichen Gründen hat der Gemeinderat diesen Tagesordnungspunkt dann auch noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit im nichtöffentlichen Teil der Sitzung beraten. Das erinnert an finsterste „Hinterzimmer-Politik“ und ist ein tiefer Rückfall in die Zeiten, in denen heimlichtuerische Gemeindepolitiker ungestört miteinander kungeln konnten und hinter dem Rücken der Bürgerinnen & Bürger ihre konspirativen Spielchen trieben.

Einen Tagesordnungspunkt, der nicht in der Einladung aufgeführt war, nachträglich auf die Agenda einer Ratssitzung zu setzten, ist nach § 34 Absatz 7 der GemO nur dann erlaubt, wenn eine sogenannte Dringlichkeit vorliegt: „Der Gemeinderat kann mit Zweidrittelmehrheit beschließen, 1. bei Dringlichkeit (Absatz 3 Satz 2) auch über Gegenstände, die nicht in die Tagesordnung aufgenommen waren, zu beraten und zu entscheiden…“ Eine Dringlichkeit, so die GemO weiter, ist dann gegeben, wenn nach § 34 Absatz 3 Satz 2 „…eine Entscheidung nicht ohne Nachteil für die Gemeinde aufgeschoben werden kann (Dringlichkeit).“ Eine Dringlichkeit kann mit Sicherheit nicht vorgelegen haben, als Ortsbürgermeister kurz vor der Ratssitzung den Antrag gestellt hat, den „Erlass von Forderungen“ auf die Tagesordnung zu setzen. Der Rat hätte, ohne dass dadurch der Gemeinde ein Nachteil entstanden wäre, auch in der nächsten Gemeinderatssitzung darüber entscheiden können. Die nachträgliche Aufnahme dieses Themas auf die Tagesordnung war deshalb ordnungswidrig und der gefasste Beschluss rechtswidrig.

Ebenso ordnungswidrig war auch die Entscheidung, den Tagesordnungspunkt „Erlass von Forderungen“ im nichtöffentlichen Teil der Ratssitzung und hinter verschlossenen Türen zu beraten. Gemäß der Gemeindeordnung sind Ratssitzungen grundsätzlich öffentlich abzuhalten, damit die Bürgerinnen & Bürger das Handeln und die Beschlüsse ihres Gemeinderates kontrollieren können. Das haben die Damen und Herren aber nicht so gerne, und so unterliegen sie immer wieder der Versuchung, sich bei heiklen Angelegenheiten ins „Hinterzimmer“ zu verziehen und die Öffentlichkeit außen vor zu lassen.

Nur in Ausnahmefällen ist nach § 34 der GemO die Öffentlichkeit auszuschließen: „Die Sitzungen des Gemeinderats sind öffentlich, sofern nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt oder die Beratung in nicht öffentlicher Sitzung aus Gründen des Gemeinwohls oder wegen schutzwürdiger Interessen Einzelner erforderlich ist.“ Es ist nicht nachvollziehbar, warum bei der Beratung über den „Erlass von Forderungen“ das Gemeinwohl in Gefahr sein sollte, noch werden bei einer öffentlichen Beratung die Persönlichkeitsrechte eines Gläubigers der Ortsgemeinde verletzt. Der Ausschluss der Öffentlichkeit war ebenfalls ordnungswidrig, der gefasste Beschluss auch aus diesem Grund rechtswidrig. Der Bürgermeister der Verbandsgemeinde wurde deshalb aufgefordert, den Beschluss wegen Rechtswidrigkeit auszusetzen.

Auch aus einem übergeordneten Grund ist das Verhalten des Gemeinderats und seines Vorsitzenden Barth zu kritisieren. Während Schulden beim Normalbürger rigoros eingefordert werden und es kein Pardon gibt, stellt der Erlass einer Forderung durch die Gemeinde für den Schuldner ein besonders Privileg dar. Rechtsgrundlage für ein solches Privileg ist § 23 der Gemeindehaushaltsverordnung, der von Stundung, über Niederschlagung bis hin zum Erlass der Schulden einer Verwaltung unterschiedlich anzuwendende Begünstigungen einräumt. Wer den Antrag auf diese Begünstigungen stellt und privilegiert behandelt wird, muss auch in Kauf nehmen, dass die Öffentlichkeit darüber informiert wird, ob und welche Voraussetzungen für die Anwendung des § 23 der GemHVO erfüllt werden – ganz abgesehen davon, dass auch bekannt sein muss, in welcher Höhe Schulden erlassen werden sollen. Eine Abwägung zwischen dem Schutz von Persönlichkeitsrechten und dem Transparenz- und Öffentlichkeitsprinzip muss hier zweifelsfrei zu Gunsten des Letzteren erfolgen. Alles andere würde der verwerflichen „Hintertüren-Politik“ wieder Tür und Tor öffnen.